Was hilft bei sozialen Ängsten, wie kann sich in deinem Leben etwas ändern?
Es gibt leider kein Patentrezept, ich schreibe hier mal auf, was mir persönlich geholfen hat.
(1) Achtsamkeit
Viele Menschen mit sozialer Angst leiden unter einem "Kopfkino mit einem schlechten Film".
Sie malen sich aus, wie andere Menschen über sie denken könnten, allerdings in einer negativen Art
und Weise. Sie trauen sich wenig zu, fühlen sich minderwertig: "Ich möchte Kontakte, habe aber
gleichzeitig Angst, mich zu blamieren und ausgelacht zu werden".
Im Kontakt zu anderen Menschen ist es kaum möglich, ein Gespräch zu beginnen, zu vertiefen und
zu beenden, sobald solche Gedanken hochkommen.
Achtsamkeit bedeutet, sich im "Hier und Jetzt" zu verankern, die Aufmerksamkeit nach Außen zu
lenken. Also die Aufmerksamkeit auf den Gesprächsinhalt zu fokussieren, auf den
Gesprächspartner, auf sein Anliegen.
Achtsamkeit bedeutet, die Welt in allen ihren Farben, ihren Geräuschen.....wahrzunehmen.
Achtsamkeit ist aber soviel mehr, ich habe es öfters geübt, um mich in der Gegenwart zu
verankern.
Achtsamkeit ist die Befreiung zur Gegenwart.
Denn mit meinen Schamgefühlen kann ich die Vergangenheit nicht verändern und auch die
Zukunft kann ich nicht beeinflussen mit meinen Ängsten.
Leben kann ich nur in der Gegenwart.
(2) Psychotherapie
Ich hatte fest vor, eine Therapie zu machen, weil ich bemerkte, dass ich selber meinen Kopf nicht mehr aus der Schlinge ziehen konnte.
Ich brauchte Hilfe, mein stiller Leidensdruck war zu groß geworden.
Zunächst scheiterte es daran, dass ich mich nicht traute, einen Therapeuten anzurufen.
Dann war ich doch froh, denn ich hatte eine sehr gute Therapeutin und bin ihr für die Begleitung
dankbar.
Ich weiß aus den Gruppen, dass einige auch negative Erfahrungen gemacht haben mit einer
Psychotherapie
Entscheidend ist die Bindung zum Therapeut, die Chemie sollte stimmen.
Ob es dann eine kognitive Verhaltenstherapie, eine tiefenpsychologisch fundierte Therapie oder
eine Schematherapie ist....
da kann man unterschiedlicher Meinung sein - vielleicht ist das auch gar nicht so entscheidend.
(3) Selbsthilfegruppe
Andere Betroffene zu finden, denen man sich anvertrauen kann, das war für mich das Wichtigste
überhaupt im Leben.
Sich endlich verstanden fühlen, angenommen zu sein mit seinem "So sein".
Einen Halt zu bekommen, sich zu öffnen, Kontakte zu Menschen zu bekommen, das macht das
Leben doch erst lebenswert
Solidarität zu erleben, etwas Neues in der Gruppe auszuprobieren in einem geschützten Rahmen,
das ist etwas ganz Besonderes.
Lösungen und Tips kann man auch erhalten, wenn man das möchte.
Es macht Hoffnung zu sehen, dass andere Gruppenmitglieder Fortschritte machen.
Hoffnung ist der Treibstoff, um das Leben in Bewegung zu bringen.
(4) Konfrontation
Sich mit den gefürchteten Situationen zu konfrontieren und zu erleben, dass die befürchteten
Situationen nicht eintreten, ist sicher eine heilsame Erfahrung.
Für das Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten ist das sicher unverzichtbar.
Ohne Konfrontation mit der Angst gibt es keine Veränderung, keine korrigierende Erfahrung.
Zu Handeln trotz der Angst ist eine große seelische Leistung.
(5) Entspannungstechniken
Ein Klassiker ist das, um das Angstniveau nicht hochkochen zu lassen. Egal ob Progressive
Muskelentspannung, Meditation oder andere Sachen.
Es ist hilfreich für viele Menschen. Ich war einmal mit einigen Leuten aus meiner Gruppe
zum Meditieren. Das war eine sehr schöne Erfahrung.
(6) Änderung der negativen Denkmuster
Ich bin geradezu ein "Weltmeister" der negativen Gedanken ;-)
Es gibt drei Schritte, die uns zu unseren Gefühlen verhelfen, auch zu unserer Angst.
(A) Wir hören etwas (oder sehen.....) - kurz: wir nehmen etwas wahr.
(B) Dieses Wahrgenommene wird mit einer Bedeutung versehen, wir interpretieren es.
(C) Es entsteht ein ein Gefühl.
Ein Beispiel hierzu:
(A) Jemand aus der Gruppe gähnt, als ich etwas von mir erzähle.
(B) Was ich erzähle, ist langweilig.
(C) Ich ärgere mich über mich selber, weil es keinen interessiert, ich bin ein Langweiler.
Ein alternatives Denkmuster:
(A) Jemand aus der Gruppe gähnt, während ich etwas erzähle.
(B´) Vermutlich ist er müde, ich weiß nicht genau, warum.
(C´) Ich berichte weiter und fühle mich gut, weil die anderen aus der Gruppe interessiert
zuhören.
(7) Akzeptanz
Bei mir stand zunächst der Versuch, die Angst bzw. der körperliche Ausdruck der Angst, das
Zittern und Schwitzen, zu kontrollieren. Das hat nicht funktioniert, es war der Versuch, die
äußerlichen Symptome zu unterdrücken.
Heute weiß ich, dass ich diese Probleme mit der sozialen Angst habe.
Ich führe keinen Kampf mehr gegen mich selber, um nach Außen hin eine Fassade zu errichten und
so zu tun, als sei alles in Ordnung. Es ist nicht in Ordnung, ich habe ein Problem und aufgrund
dessen viel im Leben versäumt.
Der Kampf gegen den Teil in mir, die Soziale Phobie, hat mir die letzte Kraft geraubt.
Heute bemerke ich meine Angst öfters und weiß, dass ich trotzdem handele.
Meine Energie geht in die Veränderung, nicht mehr in den Kampf gegen einen Teil von mir, den
ich für unansehnlich hielt und den ich nicht haben wollte.
Andere Leute haben auch Probleme - eben andere.
(8) Bewegung - Sport - Kreativität
Ganz so mein Thema ist das nicht. Aber viele SPler haben mir berichtet, wie gut Ihnen
sportliche Aktivitäten tun. Der Focus der Aufmerksamkeit liegt hier auch woanders.
Hilfreich ist es für mich, an die frische Luft zu gehen. Da komme ich auf andere Gedanken beim
Spazieren gehen.
Hobbies zu haben, bei denen man so bei der Sache ist, dass man alles vergisst, ist eine
wunderbare Sache. Fotografieren ist so etwas, wie ihr an den Bildern sehen könnt (sie sind
von mir, aber ich dann logischerweise nicht derjenige auf dem Foto).
(9) Vergangenheit anschauen
Habt ihr schon mal überlegt, wie es dazu kam, dass sich eure Ängste derart krass entwickeln
konnten?
Vielleicht seid ihr in der Schule gemobbt worden, vielleicht haben auch eure Eltern soziale Ängste
gehabt und auf die Meinung der anderen Menschen viel gegeben, sozial traumatisierende
Erlebnisse.....
Mir hat es geholfen hinzuschauen, wie es zu meinen Ängsten kam, was die Auslöser waren.
Ich konnte für mich viele Faktoren entziffern, das hat mich beruhigt und mir eine Erklärung
gegeben.